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Autor Beitrag
# 1
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Ichthyosaur
10.036 Punkte
Dabei seit: 28.11.2004
2.897 Beiträge
[beendet] Alfred und die Abluft
Die Geschichte ist nun offiziell beendet.
Lange habe ich daran gearbeitet - beinahe ein halbes Jahr. Als ich sie im Juni 2008 zu schreiben begann, hätte ich nie geahnt, dass so etwas Großes daraus werden könnte, was so viele Leute begeistert.
Mir selbst hat es immer wieder Spaß gemacht, in diese endlosen Gänge und Räume einzutauchen, meinen Lesern sicherlich auch. ^^
Doch seit vorsichtig: Da ist etwas...
Juni 2008 - November 2008

Irgendwann, wenn ihr es am wenigsten erwartet, werden euch die Gänge und Räume wieder einholen. Vielleicht in einer Woche, in einem Monat oder vielleicht in einem Jahr. Blickt man einmal in den Abgrund der Endlosigkeit, wird etwas zurückbleiben...
Überlegt es euch gut.


Nachtrag: 24.12.08
Was dieses Jahr als Geschichte begann ist nun zu einer ausgewachsenen Mod geworden! Danke an NameLess, den Mapper, der hier Großartiges geleistet hat! Danke an die Community, für all das Lob und die Anregungen. Lob ist das Brot des Künstlers und diese Mod damit das schönste Weihnachtsgeschenk für mich dieses Jahr. :)


DOWNLOAD ALS PDF

Banner 1 (thx für das Feedbeck, welches ihr besser fandet!)


Banner 2


Banner von FlyingCircus



Alfred und die Abluft

Die Glastüren schwangen auf und zu, wieder und wieder. Jedes Mal, wenn jemand das Kaufhaus verließ, jedes mal, wenn es jemand betrat. Heute war Samstag, das Kaufhaus voll wie sonst nie, aber Alfred hatte den Drang nicht ignorieren können.
Er stand etwa zehn Meter vom Kaufhauseingang entfernt, im Schatten der Arkaden eines gegenüberliegenden Gebäudekomplexes, der an eine Eisdiele angrenzte. Obwohl er all dies schon gefühlte tausend Mal getan hatte, war es immer das gleiche Wechselbad an Gefühlen: Stress, Vorfreude, Angst und Erregung. In seinem Kopf waren zwei Stimmen – die der Vernunft und die der Sucht, und diese gewann letztendlich immer. Sie war es, die ihn jedes Mal von neuem dazu brachte, in die Stadt zu fahren, sich hinter die Arkaden zu stellen und zu warten. Manchmal tat er dies Stunden, manchmal nur Minuten. Er musste den richtigen Moment abpassen. Musste sich gedulden, bis der Menschenstrom abreißen würde und er sich für ein, zwei Minuten ungestört zwischen den Doppeltüren aufhalten konnte.
Selbst hier, Meter entfernt, meinte er schon, es riechen zu können – jedes Mal, wenn die Türen aufschwangen und ein Kunde, bepackt mit Tüten, das Kaufhaus verließ, oder jemand es betrat. Das war natürlich – das musste! – Einbildung sein, aber es sorgte dafür, dass sein Herz höher schlug und dass er sich kurz aus seinem Versteck hervorwagte und dann schnell wieder zurückging, mit beschämter Miene. Dann schaltete sich wieder die Stimme der Vernunft ein, die ihm sagte, dass er am besten nach Hause gehen sollte. Dass pausenlos Leute aus und ein gehen würden und dass er nicht einmal ungestört würde inhalieren können.
Doch das war ihm egal. Er brauchte es einfach, das würde er jedem sagen, genau so, wie es ein Junkie tun würde, wenn man ihn fragte, wieso er denn Drogen nahm.
Nur dass sein Suchtmittel nicht Alkohol oder Nikotin war – geschweige denn eine illegale Substanz – sondern, so verrückt das auch klang, Abluft. Besonders mochte er sie, wenn sie aus großen Kaufhäusern mit integriertem Restaurant stammte, oder – ein seltener Genuss – direkt aus de Abzügen einer Großküche.
Ja, es tat gut, die Dinge beim Namen zu nennen. Hätte er sich schon überwunden und eine Selbsthilfegruppe besucht (sofern denn eine für solch ein ausgefallenes Problem existierte), dann hätte er es genau so, wie man es in stereotypischen Filmen oder Comics sieht, gleich zu Beginn verkündet: „Hallo, mein Name ist Alfred und ich bin süchtig nach Abluft.“
Wie verschroben sich das doch anhörte! Doch der jahrelange Kampf mit sich selbst hatte ihm gelehrt, dass es keinen Sinn machte, sich die Befriedigung des Triebes zu verwähren, und schließlich schadete er ja niemandem damit.
Er achtete nur darauf, es unbemerkt zu tun, denn er hasste es, verstörte Blicke zu ernten. Das war ihm schon öfters passiert, besonders in jungen Jahren, als seine krankhafte Vorliebe erstmalig an die Oberfläche seiner Psyche getrieben war.
Wie lange das her war, wusste er nicht. Jedoch konnte er sich noch genau an ein Erlebnis aus der Zeit seines Erwachsenwerdens erinnern, als er mit sechzehn Jahren ein Abluftrohr an der rückwärtigen Wand einer Buchhandlung fand. So schön deren Fassade war, mit all ihren Auslagen, Ständen und Pappaufstellern, so hässlich war die kaum beachtete Rückseite, nur über einen schmalen Pfad zugänglich, welcher die knappe Trennlinie zwischen dem einen und dem anderen Gebäude – beides Altbauen – darstellte. Dieser enge Weg wurde kaum beachtet und es war nichts anderes als eine spontane Eingebung, die den damals sechszehnjährigen Alfred in die Seitengasse trieb. Kaum war er in den kühlen Schatten getreten, der einen Mantel von modrigem Geruch über ihn legte, sah er es da neben ihm aus der Wand ragen: Ein rechtwinklig abgekröpftes Abluftrohr, dessen ehemals weiße Farbe schon längst von Rost und Algen getrübt worden war, aber die „innere Schönheit“ des Rohres strahlte in Alfreds Augen über alles Andere hinweg. Elegant zeigte es nach oben, in einer leicht spitz zulaufenden Form, die von einem filigranen Eisengitter gekrönt wurde. Die Höhe war perfekt: Er würde ohne Mühe seine Nase in den Duftstrom halten können.
Und das tat er auch sogleich, nicht ohne vorher den Teppich aus Staub, Spinnweben und Vogelkot von dem Gitter zu streichen.
Die Duftnote übersteig seine kühnsten Vorstellungen: Da war das Aroma von altem Papier, von Parfum, von Möbelpolitur, von Toilettenstein, von Teppichboden und dezent im Hintergrund das gewisse Etwas, das „Muffige“, dass er so sehr an allen Typen von Abluft liebte und dass die Komposition „abrundete“. Dazu noch war der Luftstrom rein von Schwebstoffen – kein Staubpartikelchen und keine Teppichfaser trübte den Genuss.
Die ersten Annäherungen mit Abluftrohren hatten bislang mit heftigen Hustenanfällen und einmal sogar mit Erbrechen geendet, als Alfred sich nicht schnell genug losreißen konnte und eine Hand voll Wollmäuse in den geöffneten Rachen geblasen bekam.
In diesem goldenen Moment des Inhalierens war ihm klarer als je zuvor: Dieses ganz spezielle Bedürfnis würde niemals von ihm weichen.
In den kommenden Wochen suchte er dieses spezielle Abluftrohr immer wieder auf – mehrfach verließ er sogar vorzeitig den Unterricht, mit dem Verwand, er habe Kopfschmerzen, um so schnell wie Möglich wieder in seine ganz persönliche Gasse zurückkehren zu können, wo ihm der herrliche Luftstrom die Sorgen des Alltags aus dem Kopf blasen würde.
Ja, das war eine der wenigen schönen Momente seiner Jugend…

„Mochten der Herrr kaufen eine Obdacklosenzeitung?“
Die plötzliche Stimme, die von hinten an sein Ohr drang, riss ihn aus seinen Erinnerungen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er die vergangenen zehn Minuten regungslos auf die immer wieder auf- und zu klappenden Eingangstüren des Kaufhauses geschaut haben musste, und so hatte er nicht bemerkt, dass genau neben ihm, unter den Arkaden, ein Verkäufer der örlichen Straßenzeitung seinen Stand aufgebaut hatte.
„N-Nein. Danke.“, antwortete er verdattert, was ihm einen feindseligen Blick seitens des türkischen, aber mehr als voll integrierten Mitbürgers einbrachte.
Ein letztes Mal schaute er zu den Doppeltüren, die nach wie vor vom stetigen Kundenstrom hin- und ehr bewegt wurden – so schnell wie die Flügel eines Kolibris, kam es Alfred vor. Es hatte keinen Zweck, heute würde er keine Gelegenheit finden, dort zu inhalieren, aber schließlich war der Luftausströmer über den Eingangstüren, der die verbrauchte, warme Luft senkrecht ach unten blies, um ein Eindringen der kalten, frischen zu vermeiden, nicht seine einzige Quelle.
Endlich verließ er sein nun untaugliches Versteck („Wolle du kaufen wirklich keine Obdacklosezeitung?“) und ging geradewegs auf das Kaufhaus zu, bog jedoch vor dem Eingang nach links, um auf die andere Seite des Gebäudes zu gelangen. Dort, das hatte er bei einem seiner zahlreichen Erkundungsgänge in der Stadt herausgefunden, befand sich eine Reihe von Personal- und Lieferanteneingängen, die einem unbemerkt Zutritt zu den verschiedensten Bereichen des Gebäudes verschafften. Natürlich war es immer ein Risiko, sich in diesen für den normalen Kunden unsichtbaren, weit verzweigten Gängen zu bewegen, denn es konnte immer Personal unterwegs sein. Bisher hatte Alfred jedoch immer Glück gehabt und das führte ihn zum Schluss, dass sogar das Personal selbst diese Gänge zum Teil vergessen haben musste. Wie ein Höhlensystem durchzogen sie das gesamte Warenhaus, welches im Laufe seines jahrzehntelangen Bestehens schon öfters renoviert worden war.
Vorsichtig schaue Alfred noch einmal ums Häusereck – die Luft war rein. Kein angestellter war in Sicht, und sollte er doch einem begegnen, so würde er einfach den ahnungslosen Kunden spielen, der sich verirrt hatte.
Nur in diesen Wartungs- und Personalgängen, wo man keinen großen Wert auf Optik und Atmosphäre legte, hatte man direkten Zugang zum Lüftungssystem des Kaufhauses. Wie er es schon oft zuvor getan hatte, würde er sich einfach ein abgelegenes Eck suchen, sich dann auf eine Kiste oder etwas ähnliches Stellen und dann eine der zahlreichen Klappen öffnen, von denen das wurmartige Rohrnetz an der Decke gespickt war.
In den normalen, für jeden zugänglichen Verkaufsbereichen war das ganze „Innenleben“ des Gebäudes aufs Genauste vom Kunden abgeschirmt – durch Blenden und Verkleidungen.
Nur an wenigen Stellen kam man an die Abluft – zum Beispiel an den Ausgängen, wo sich Alfred normalerweise seine „Dosis“ holte, aber heute war dies leider nicht möglich gewesen.
Mit eiligen Schritten lief er zu einer der unscheinbaren, grauen Türen, auf denen rote Schilder mit dem Hinweis „Zutritt nur für Personal“ angebracht waren. Wie immer begannen seine Hände leicht zu zittern, als er die Klinke hinunterdrückte.
Vor ihm lag ein langer, dunkler Gang, dessen grabesähnliche Stille nichts von dem sprühenden Konsumleben verhieß, welches sich nur wenige Meter Beton entfernt von Alfred abspielte. Die einzige Beleuchtung dieses Ganges waren vergilbte Neonröhren – die eine oder andere defekt – alle hypnotisch brummend, wie ein Stock elektrischer Bienen, die darauf warteten, zuzustechen. Alfred schauderte bei dem Gedanken.
Nichtsdestotrotz trat er ein und ließ die Tür fester ins Schloss fallen als beabsichtigt. Der Knall schien ihm ohrenbetäubend und sein Echo pflanzte sich durch den Betonkorridor fort, wie eine abebbende Ozeanwelle. Hoffentlich hatte man ihn nicht gehört.
Er versuchte, die Aufregung zu dämpfen. Schließlich kannte er diesen Gang – schon vor gut einem Jahr hatte er seine erste „Expedition“ in diesen Teil des Kaufhauses unternommen.
Und für den Fall, dass er einmal einem Kaufhausarbeiter begegnen sollte, hatte er vorgesorgt: Unter seinem langen, unauffälligen Mantel trug er einen blauen Arbeiteranzug, mit dem man ihn ohne weiteres für einen Techniker oder Angestellten halten konnte.
Der Gang kam ihm jetzt noch länger vor, aber schließlich wusste er ja, wie er gehen musste. Kurz vor Ende würde eine Abzweigung nach links zu einem Treppenhaus führen, über welches er in das nächste Stockwerk des Gangsystems gehen würde. Nur durch dünne Trennwand vom Verkaufsbereich getrennt konnte er nach ein paar weiteren Türen und Abzweigungen einen Wartungskorridor erreichen, indem das Hauptabluftrohr der ersten Kaufhausebene verlief. Dort gab es eine leicht zu öffnende Klappe…
Es würde schon alles glatt gehen.
Er hatte den Gang fast durchquert und wollte in die Abzweigung nach links einbiegen, als er mit dem Fuß an einer Palette hängen blieb. Im Halbdunkel der Neonröhren hatte er sie einfach übersehen. Darauf stand ein Karton mit Kabeln. Sie waren allesamt rot. Alfred ignorierte den Schmerz in seinem linken Fußzeh und schaue in die Kiste, von der er seinen Blick nicht abwenden konnte.
Die Kabel bewegten sich. Wie ein Knäuel von Würmern schienen sie sich zu winden…
Entsetzt schüttelte er den Kopf. Wie kam er auf solche Gedanken? Natürlich bewegte sich in dem Karton nichts! Es musste an der schwachen Beleuchtung gelegen haben, dass er das dachte. Wie um sich das selbst zu beweisen zog er an einem der Kabel und ließ es gleich darauf angeekelt fallen. Es hatte sich klebrig angefühlt. Nun baumelte es lustlos von dem Rand des Kartons. Keine Spur von Leben.
Wieder ermahnte er sich, ruhig zu bleiben. Schließlich konnte er nicht an jeder Kiste mit Kabeln oder sonstigem Bauschutt stehen bleiben. Er bog um die Ecke und erreichte so das Treppenhaus. Durch ein Oberlicht fiel helles Mittagslicht, was ihn jedoch irgendwie deprimierte. Sollte man an solch einem hellen Tag nicht etwas Anderes zu tun haben, als in Kaufhausgängen herumzuirren?
Keine Zeit zum Nachdenken, sagte er sich immer wieder innerlich vor.
Er tat einen Ruck, wie um die Beklemmung abzuschütteln und begann, die Treppenstufen emporzusteigen, die an der Wand des quadratischen Treppenhauses verliefen. In dem senkrecht herabfallenden Lichtkegel, um den herum er sich nach oben schraubte, tanzten winzigste Staubkörner. Alfred wedelte mit der Hand, um sie zu bewegen. Er wusste nicht, warum er es tat.
Gleich darauf war er im ersten Stock angelangt. Auch hier mündete ein vergleichbarer Gang ins Treppenhaus wie im Erdgeschoss, aber diesmal würde er durch einen anderen Weg gehen. Es war eine kleine, alte Stahltür mit einem Warnschild, das zum tragen von Ohrenschützern anhielt, durch die er zu gehen beabsichtigte. Wieso das Schild da hing, wusste er nicht. Schließlich gab es ja keine schädlichen Lärmquellen.
Er fasste nach der Plastikklinke und sah noch einmal über die Schulter. Natürlich war niemand außer ihm hier, das würde er ja schon längst gehört haben.
Hören. Er runzelte die Stirn. Wieso hörte er nichts vom Kaufhausbetrieb? Er glaubte fest, sich erinnern zu können, dass das Stimmengewirr bei seinem letzten Besuch deutlich zu vernehmen gewesen war. Oder doch nicht? War die Trennwand doch dicker als vermutet? Achselzuckend tat er diesen Gedanken als unwichtig ab, ohne sich von dem seltsamen Gefühl befreien zu können, das von ihm Besitz ergriffen hatte.
Schwungvoll öffnete er die Tür und erstarrte.
Vor ihm lag absolute Dunkelheit. Dies machte ihm sofort wieder Angst, aber das war natürlich Blödsinn. In diesem alten, vernachlässigten Teil des Kaufhauses war einfach die Beleuchtung ausgefallen, weiter nichts. Aber im Dunkeln das Lüftungsrohr finden? Unmöglich.
Alleine die Vorstellung bereitete ihm Gänsehaut. Was, wenn sich die Kabel vorhin doch bewegt hatten? Wenn sich in der Dunkelheit eine dieser in Plastik gefangenen, stählernen Tentakeln um seinen Hals legen würde…
Feste schlug er die Tür zu. Ruhig bleiben, nicht in Panik verfallen, hallte es wie ein Mantra in seinem Kopf.
Also gut. Möglichkeit eins, der Luftvorhang an der Ausgangstür, war vorhin ausgeschieden, und Möglichkeit zwei, das Abluftrohr im Wartungsgang, war soeben noch um einiges undenkbarer geworden, als sich mitten in die Menschenmenge im Eingang des Kaufhauses zu stellen und lautstark Abluft zu inhalieren.
Alfred spielte mit dem Gedanken, einfach nach Hause zu gehen, aber zum einen brauchte – brauchte! – er heute seine Dosis und zum anderen konnte der dunkle, stromlose Wartungsgang vor ihm kaum der einzige seiner Art in diesem Gebäude sein. Wahrscheinlich würde er sogar einen Stock höher, genau über ihm sozusagen, eine gleiche Tür mit einem gleichartigen Korridor dahinter finden. Fortlaufen konnte er später immer noch – auf einen Versuch wollte er es auf jeden Fall ankommen lassen.
So drehte Alfred sich auf dem Absatz um und wollte gerade die quadratische Treppe weiter emporsteigen, als ihm eine weitaus bessere Idee kam.
Wenn das ganze Gebäude von Entlüftungsrohren durchzogen war, durch die gleichmäßig die köstliche Fracht wallte, musste es dann nicht einen Punkt im Hause geben, wo sie zusammentrafen? Natürlich – der Keller! Für ihn war der Fall klar, er zweifelte kein bisschen daran, dass er diesen Punkt im tiefsten aller Stockwerke finden würde.
Und so begann er, die Treppen nicht hinauf- sondern wieder hinab zu steigen. Er wurde richtig hibbelig beim Gedanken, seine Nase in einen noch viel höher konzentrierten und stärkeren Abluftstrom zu halten, als er das bisher getan hatte. In seiner Erregung bemerkte er kaum, wie wenig Licht noch in das Treppenhaus fiel.
Auf seinem Weg abwärts hatte er mit einem Mal das Gefühl, mehr Treppenstufen beschreiten zu müssen, als beim Aufstieg. Aber das musste ein Irrtum sein. Oder? War er jetzt nicht schon zwei Stockwerke nach unten gegangen, ohne im Erdgeschoss angekommen zu sein? Das konnte ja nicht sein!
Wie um das zu bestätigen betraten seine Füße wieder den weißen Fußboden, den es so nur im Erdgeschoss gab. kein Grund zur Besorgnis also. Er machte sich einfach selbst zu nervös.
Die Treppe, die zum Untergeschoss hinunter führte, war von der restlichen abgesondert. Sie war nicht mehr als ein sich eng an die Wand kauernder Schacht, der steil hinab führte. Bei seinen früheren Besuchen war sie Alfred nie aufgefallen. Ebenso war ihm das alte Blechschild mit der Aufschrift „Untergeschoß“ entgangen, das neben dem Abgang an der Wand hing. Es gefiel ihm nicht, aber er konnte nicht sagen warum. Schrieb man „Untergeschoss“ nicht schon längst mit „ss“?
Ohne weiter darüber nachzudenken machte er sich an den Abstieg, nicht ohne vorher noch einmal über die Schulter zu sehen und sich der absoluten Stille zu vergewissern, die ihn fest umschloss wie ein Bleisarg.
Die Treppenstufen sahen anders aus, als die der Haupttreppe. Sie erschienen ihm viel älter, obwohl sie in keiner Weise ausgetreten waren. Ebenso stach ihm das Treppengeländer ins Auge: Ein langer, ehemals schreiend grüner Plastikwulst, über die zeit spröde und rissig geworden. Er vermied es, mit ihm in Kontakt zu kommen. Seine geübte Nase vernahm einen säuerlichen Geruch, wie von einem Weinkeller, der ihm aber nicht unangenehm war. Dazu mischten sich die Ausdünstungen von Beton, der sich hier unten ohne kaschierende Tapete und ohne Schutzlack darbot.
Erfreulicherweise war die Treppe relativ kurz und ihr Ende lag keinesfalls in Finsternis, sondern war ebenfalls von Neonröhren beleuchtet, welche allerdings allesamt intakt waren.
Noch einmal verspürte er kurz den Drang, einfach umzukehren, und überdeutlich sagte ihm die Stimme der Vernunft, dass hier unten sicher nur altes Gerümpel herumstünde, aber die Verheißung, endlich in den wohlverdienten Genuss einer Dosis Abluft zu kommen – und das womöglich in ungeahnter Qualität – war zu groß, als dass er hätte widerstehen können.
Dazu mischte sich eine gewisse Neugier. Hier unten war er noch nie gewesen…
Wieder trieb eine Erinnerung aus vergangenen Zeiten in ihm hoch – noch älter als die von seiner ersten Begegnung mit dem Abluftrohr.
Im Alter von sechs Jahren war er einmal mit Freunden in eine leer stehende Fabrik eingedrungen und hatte damals die gleiche erregte Neugier verspürt. Während die anderen über Skelette und verborgene Schätze im inneren der Fabrik spekulierten, hatte er sich vor allem für die Maschinen interessiert: Verendete Wesen aus Metall und Rost, versunken in ewigem Schlaf, begraben unter einer dicken Staubschicht. Was mochte in ihnen vorgegangen sein, als sie noch nicht zum Dahinscheiden verurteilt waren? In seinen Gedanken wurden die Maschinen lebendig, zu schnaufenden Drachen mit Venen aus Stahl, in denen Öl statt Blut floss, und die Abluft, das war ihr Atem.
[Beitrag wurde 20x editiert, zuletzt von Lamarr am 21.07.2009, 14:43]
16.06.2008, 17:40 Uhr Anzeigen

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