Zitat: Original von Alryx Lamarr...kam die Frage während deines Philosophiestudiums schon mal auf? Oder hast du sie dir selbst oder jemand anderem schon mal gestellt? Wie war/wäre deine Antwort? |
Das sind klassische Fragen der Philosophie. Die Idee hinter Matrix stammt nicht von den Drehbuchautoren, sondern von Hilary Putnam, der das Gedankenexperiment der "Gehirne im Tank" formulierte.
Und die frage, ob ein glückliches simuliertes Leben einem unglücklichen "echten" vorzuziehen sei, ist auch nicht neu, sondern die hat man sich in anderer Form schon in der Antike gestellt: Lieber ein glückliches Schwein sein, oder ein unglücklicher Sokrates?
Darauf kann man nur schwer eine Antwort geben, weil sich hier Vernunft und Intuition widerstreiten. Es gibt keinen Vernunftsgrund, warum man simuliertes Glück - unter der Bedingung des Nichtwissens - ablehnen sollte. Das ist auch die Achillesverse verschiedener Moraltheorien: Nehmen wir z.B. den Utilitarismus, dessen Moralkriterium die Maximierung des Glücks ist. nach ihnm wäre es die moralisch beste aller vorstellbaren Handlungen, wenn allen Leuten eine Droge verabreicht würde, die sie permanent glücklich stimmt. Das widerstreitet natürlich unseren Intuitionen, weil wir Affekte und Wertvorstellungen haben, die ein geglücktes Leben nicht auf Glücksempfinden reduzieren. Wir beatrachten "Realität" und die Gewissheit, ein autonomes Leben zu führen, als einen Wert an sich. Deswegen missfällt uns die Vorstellung, ein Gehirn in einem Tank zu sein, egal wie glücklich. Glück für den Preis der Autonomie erscheint uns nicht erstrebenswert.
Ein anderer interessanter Aspekt lässt sich hier von der Seite der Logik formulieren. Es gibt mit dieser Frage ein einfaches logisches Problem, dass die Fragestellung selbst in ein zweifelhaftes Licht rückt. Am deutlichsten wird das beim Schweine-Beispiel.
Die Wahl zwischen dem Schweineschicksal und dem Menschenschicksal lässt sich mMn nicht schlüssig begründet entscheiden, weil der Begriff der "Wahl" impliziert, sich in hinreichendem Maße über die Optionen im Klaren zu sein und genau das ist hier aber nicht der Fall. Es ist und schlicht nicht möglich, den Standpunkt des "Schweine-Bewusstseins" anzunehmen und deswegen können wir auch nicht mit Sicherheit sagen, ob das "Schweine-Glück" von geringerer Qualität ist, als das unsrige. Und dies zu beurteilen ist ebenfalls unmöglich, weil niemals ein Bewusstsein gleichzeitig Schwein und Mensch sein kann, sodass ein Vergleich möglich ist. Wir wissen z.B. nicht, ob Schweine Glück empfinden, so wie wir es als "Glück empfinden" verstehen. Deshalb birgt die Wahl das Risiko in sich, die Möglichkeit des Menschlichen Glücks gegen etwas einzutauschen, das möglicherweise gar nicht das ist, was wir unter Glück verstehen. Beim Beispiel der Gehirne im Tank kann man ähnlich argumentieren, aber das Post ist schon lang genug...
Ende der Vorlesung fürs Erste.
Edit: Zur Ergänzung noch ein kleiner Gedanke, der mir gerade eingefallen ist, und der auch gut zum Tank-Beispiel passt. (Auch wenn das hier eher auf das Gedankenexperiment der "Glücksmaschine" von ich glaube Peter Singer bezieht) Da reden wir von einem Bewusstsein, dass durch Impulse permament Glück empfindet. Wenn wir das jetzt als "reines, emotionales Glück" verstehen, dann ist das eine Glücksempfindung von der Qualität, dass sie alles andere ausblendet. Es stellt sich dann die Frage, ob ein Bewusstsein, dass permanent so Empfindet, überhaupt noch als Bewusstsein bezeichnet werden kann. Denn wenn das Glück alles andere ausblendet - also auch kritische Selbstreflexion und vor allem auch die Selbstwahrnehmung - inwiefern wäre sich dieses Bewusstsein seiner selbst bewusst? Es wäre wohl eher auf dem Status eines Schweines unter Drogen.
Man kann also sagen: Unser Verständnis von (Selbst)Bewusstsein und Identität schließt bestimmte Formen der Glückssimulation prima facie aus.